Gendern im Recht: anders als in der Allgemeinsprache?
Glottisschlag – Sternchen – dash – slash – etc., etc. …

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Gendern im Recht: anders als in der Allgemeinsprache?
Glottisschlag – Sternchen – dash – slash – etc., etc. …
Marianne Grabrucker. 2021.
https://www.sprache-und-gendern.de/beitraege/gendern-im-recht-anders-als-in-der-allgemeinsprache (abgerufen am 14.12.2024)

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Nicht nur in Deutschland plagen wir uns mit dieser Frage. In Paris nennt sich dieser „Kulturkampf“ Ecriture Inclusive

1 Historische Anknüpfung

Zum besseren Verständnis bedarf es eines kurzen Rückblicks: Ausgangspunkt der Diskussion um eine Änderung der Sprache im Hinblick auf die Benennung von Frauen durch Verwendung des Femininums waren die politischen Verhältnisse in den USA und die Bürgerrechtsbewegung der 60er und 70er Jahre. Black Life Matters ist nämlich so neu nicht! Es hatte sich nicht nur die Frage der Ungleichbehandlung „nicht-weißer“ Menschen, sondern auch die „nicht-männlicher“ Menschen gestellt. Zeitgleich begann die neue und systematische Gender-Forschung in den USA. Auch „Me Too“ hat eine Oma und ist nicht neu! Der neue Feminismus war geboren und es taten sich Abgründe an Ungleichbehandlung auf, die schließlich zu gesetzlichen Änderungen führten, wie die „affirmative action plans“ in den USA und dem UK, also zu gesetzlich auferlegten positiven Diskriminierungsmaßnahmen. 

Eines der Nebenprodukte war dann bei vertiefter Forschung die (auch nicht so neue) Feststellung zur vom männlichen Genus dominierten Sprache und deren Auswirkungen. Linguistinnen begannen Forderungen zur geschlechtergerechten Sprache zu stellen und boten auch witzige Lösungsvorschläge an, wie „den Hebammerich“. Diese Gedanken wurden in den USA und im UK ziemlich schnell aufgegriffen und verwirklicht. Erstes Anzeichen waren im Versuch einer Änderung der Sprache neue Wörter wie s(h)e oder HERstory statt history. Die Änderungen wurden ziemlich schnell umgesetzt, z.B. in englischsprachigen Schulbüchern weltweit und selbst in Papieren der UNO. Allerdings tut sich das Englische mit geschlechtergerechter Sprache etwas leichter als das Deutsche oder die romanischen Sprachen; ganz schwierig ist es in der viersprachigen Schweiz. 

Der Gedanke sprang über auf die politische Szene in Europa, die damals noch geprägt war von einer gewissen Aufbruchsstimmung aus den 68er Jahren mit der „neuen Frauenbewegung“. Damit kam es zu ersten Erfolgen bei der Änderung der Rechtssprache, z.B. als erstes 1986 im Bundesland Hessen anlässlich der Änderung des hessischen Personalvertretungsgesetzes. Der Begriff „Vertrauensmann“ wurde um die „Vertrauensfrau“ ergänzt und im Übrigen das ganze Gesetz in einem Beschluss des Landtags im November 1986 ohne generisches Maskulinum abgefasst (Quelle: Bericht der Arbeitsgruppe Rechtssprache vom 17. Januar 1990, S. 5):

  1. Der Landtag wird bei allen künftig zu verabschiedenden Gesetzen dafür Sorge tragen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beachtet wird. Im Gesetzestext sollen grds. die weibliche und die männliche Form oder eine neutrale Form einer Personenbezeichnung aufgeführt werden. Die männliche Form kann nicht als Oberbegriff angesehen werden, der die weibliche und die männliche Form einschließt.
  2. […]
  3. Die Landesregierung wird aufgefordert, bei Organ- und Behördenbezeichnung eine neutrale Bezeichnung „das Hess. Ministerium“ einzuführen. 

Zahlreiche ähnliche Hearings folgten in den anderen Bundesländern. Die Argumente gegen die Anwendung des Femininums in der Rechtssprache, d.h. der Sprache des Staates in Gesetzen und seiner Verwaltung, waren zum Teil hämisch, daher nervig und in ihrer gebetsmühlenartigen Wiederholung immer dieselben. Sie sind es zum Teil bis heute geblieben und werden auch von Frauen vorgetragen.

Unterschied Allgemeinsprache – Rechtssprache: beide ändern sich, aber langsam

Um diesen Zustand zu beenden und fundierte Forderungen aufstellen zu können, dachte ich damals und denke ich als Juristin heute noch in erster Linie an eine rechtliche Grundlage. Dies führt mich auf eine ganz spezifische Ebene in der Diskussion um das Thema. Meine Überlegungen basieren darauf, dass zwischen Allgemeinsprache und Rechtssprache ein Unterschied besteht und deshalb gibt es hier eine Grenze. Die Allgemeinsprache verändert sich ständig. Sie ist so lebendig und veränderungsfähig wie Kinder. Wörter wie „ausspannen“ oder „abspannen“ sind mit dem Verlust des gesellschaftlichen Hintergrundes, nämlich des Ochsen und seines Fuhrwerks, verschwunden und dafür sind neue wie „chillen“ oder „googeln“ entstanden. Der Wandel des Lexikons ist eine banale und in der Linguistik anerkannte Feststellung. In diese Kategorie gehört die Wortschöpfung eines 4-jährigen Kindes von der Ärzterichin und der Katerin. Es werden z.B. zahllose Neugebilde an Wörtern im Marketing geboren und sofern sie dauerhaft Gebrauch finden im Weiteren in den allgemeinen Wortgebrauch aufgenommen. 

Die Allgemeinsprache lässt sich jedoch rechtlich nicht unter Kuratel stellen, indem die Art und Weise eines bestimmten Wortgebrauchs im privaten Miteinander/Untereinander der Menschen vorgeschrieben wird. Insoweit ist hier an die Verfassungsbeschwerde (Az. 1 BvR 1074/18 vom 26. 5. 2020) zum Gebrauch des Begriffes „Kundin“ bei einer Sparkasse im Umgang mit ihrer Klientel zu denken. Diese war aus formellen Gründen zurückgewiesen worden. Gesetzliche Vorgaben können jedoch dadurch Einfluss auf den Sprachgebrauch haben, dass die Sprache des Staates, wenn sie sich aufgrund gesetzlicher Vorgaben ändert, schließlich mittelbar und zögerlich in den Allgemeingebrauch übergehen kann. Überraschenderweise ist hier festzustellen, dass es so langsam gar nicht geht. Ist 1986 in Hessen erstmals unter viel Kritik die „Obfrau“ im Personalvertretungsgesetz festgeschrieben worden, so wagt es heute niemand aus der Politik mehr – angefangen von der Bundeskanzlerin – eine Rede zu halten in der nicht ständig von „Bürgerin und Bürger“, von „Soldatin und Soldat“ die Rede ist. Sogar der Deutsche Alpenverein hat nun ein Positionspapier vorgelegt (www.jdav.de) mit Handlungsempfehlungen zur geschlechtergerechten Sprache (Bergmagazin 2/2021- „Gendern – braucht’s das wirklich?“). 

Im Recht der Eheschließung sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, dass die Frau ihren Geburtsnamen weiterhin trägt und damit ist das Primat des Namens des Ehemannes als Familiennamen gebrochen. Im Unterschied zur Sprache der Politik und ihrer Doppelnennung oder der Aussprache mit Glottisschlag nehmen diese gesetzlich zu Gunsten der Frauen geregelte Benennung der „Ehefrau“ nur Wenige an. Die Statistik zeigt, dass weitaus überwiegend die Frauen den Namen des Mannes als alleinigen Familiennamen annehmen: einen Doppelnamen tragen sie zu 7 %, den eigenen Namen behalten 6 % bei – meist ältere finanziell unabhängige oder beruflich erfolgreiche Frauen. Und wenige 6 % Namensänderungen des Mannes hin zum Namen der Frau sind zu verzeichnen. Letzteres geschieht zumeist nur, wenn der eigene Name unschön ist oder Familienzerwürfnisse bestehen. Die Mehrzahl der Frauen ist also immer noch stolz wie der Angeheiratete zu heißen und sich aufzugeben in ihrer Namens-Identität, was dann natürlich in der Folge auch für die sich daraus ergebende Kinderschar gilt. Entsprechend ist im alltäglichen Sprachgebrauch auch von der Trainerin im Pilateskurs für Frauen häufig noch für die 

„Teilnehmer“ zu hören, dass „jeder sein Bein strecken soll“. Und die arrivierte Anwältin einer großen Kanzlei in Hamburg findet es „total uncool“ sich auf der Website der Kanzlei als „Anwältin“ zu präsentieren. Die Allgemeinsprache ändert sich hier nur allmählich.

2 Rechtsgrundlage für sprachliche Gleichstellung

Aus der Fülle von aktuellen unionsrechtlichen Vorgaben und anderen Gesetzen (vgl. Annelie Bauer, Rechtliche Maßgaben für die geschlechtergerechte Sprache, Duncker & Humblot, Berlin 2020) beschränke ich mich als Rechtsgrundlage für die Forderung nach sprachlicher Gleichbehandlung auf den Text von Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, der lautet:

Art. 3 GRUNDGESETZ
Abs. 1: […]
Abs. 2: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

Dieser sehr wichtige Satz beinhaltet zwei Komponenten: Das Gleichstellungsgebot (aktive Förderung der Gleichberechtigung) und das Dominierungsverbot (Verbot struktureller Diskriminierung, die zu einer Erfahrung der Ausgrenzung oder der geringeren Berücksichtigung bei der Verteilung von verfügbaren Ressourcen führt) bei staatlichem Handeln. Daraus lassen sich folgende verfassungsrechtliche Überlegungen ableiten: Die Forderung nach sprachlicher Gleichbehandlung anhand des Artikels unseres Grundgesetzes, der die Gleichbehandlung von Frau und Mann vorsieht, erscheint insofern problematisch, als nicht nur ein einzelnes Gesetz angegriffen werden soll, sondern die Sprachstruktur schlechthin, in der alle Gesetze abgefasst sind. Grundsätzlich können nämlich nur im formell geregelten Verfahren erlassene Einzelgesetze in ihren Auswirkungen für betroffene Personen auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin überprüft werden. Pauschale Änderungen sind nicht möglich. Daher scheinen Frauen und Männer in der allgemeinen Diskussion zu diesem Thema – aber auch in Fachkreisen – bisweilen ohne Verständnis aneinander vorbeizureden. 

Frauen und Männer scheinen in der allgemeinen Diskussion zu diesem Thema – aber auch in Fachkreisen – bisweilen ohne Verständnis aneinander vorbeizureden

Das generisch verwendete Maskulinum als unhinterfragter leitender Rechtsgedanke

Zum besseren Verständnis ist auf folgendes hinzuweisen: Bedient sich die Gesetzgebung gleichbleibend in all ihren Gesetzen einer Sprachregel, so liegt darin ein Handlungsgrundsatz oder ein Rechtsprinzip, das sie sich zur Maxime ihres gesetzgeberischen Wirkens gemacht hat. Es ist zwar nicht expressis verbis festgeschrieben worden, aber dieses Rechtsprinzip bestimmt dennoch alle Normen und entspricht einer aus der deutschen Grammatik abgeleiteten Legaldefinition des generischen Maskulinums: »Im Sinne des Gesetzes umfasst jede maskuline Personenbezeichnung auch Frauen« (vgl. Grabrucker 1993, 211f.). Dies ist Sprachnormung aufgrund gesetzgeberischen Willens. Jedes formell ordnungsgemäß erlassene Gesetz bringt dieses Rechtsprinzip erneut zum Ausdruck, so dass es wiederum selbst Teil des Gesetzes wird.

Damit hat diese Sprachform den Charakter eines leitenden Rechtsgedankens, der ohne schriftliche Festlegung sich durch seinen ständigen Gebrauch in jedem einzelnen Gesetz immer wieder konkretisiert. Dass dieses Rechtsprinzip nicht niedergelegt war, mag einer allzu großen Selbstverständlichkeit und Sicherheit hinsichtlich der Übernahme traditioneller machtabhängiger Sprachstrukturen entspringen. Dies kann aber ebenso auf mangelndem Problembewusstsein aufgrund fehlender Bereitschaft Althergebrachtes zu hinterfragen beruhen und auf der bequemen Gewohnheit, es als allgemeinsprachliche Kategorie zu betrachten. Ob es als »rechtssatzförmiges« oder als »offenes« Prinzip zu bezeichnen ist, kann dabei m. E. dahingestellt bleiben, denn in jedem Fall muss es mit dem Grundgesetz übereinstimmen. Als Prüfungsmaßstab kann also Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes angelegt werden, auch wenn sich daraus kein individuelles subjektives Klagerecht einzelner Personen auf aktive Umsetzung in abstracto ableiten lässt. Soweit nämlich in der Diskussion die Notwendigkeit der Anwendung des Femininums in der Rechtssprache verneint wird, beruht dies auf der Argumentation, dass Art. 3 GG nur insoweit als individuelles Recht begriffen wird, als sich die Ungleichbehandlung unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut ergibt.

Beseitigung auch mittelbarer Diskriminierung
Die Verknüpfung der komplexen Vernetzung von Sprachregeln in der Fachsprache mit sprachwissenschaftlichen Erkenntnissen bleibt bei dieser Argumentation allerdings vollkommen unbeachtet – weil auch bislang noch gar nicht definiert. Anders ist es hingegen, wenn das Rechtsinstitut der mittelbaren Diskriminierung ins Spiel kommt. Der mit dem reformierten Grundgesetz nach der Wiedervereinigung auf Druck der Frauenbewegung – quer durch alle Parteien – eingefügte Satz 2 von Art. 3 Abs. 2 ist seine nunmehr positiv formulierte Grundlage. Auf ihr basierend kann auch die Beachtung und Umsetzung geschlechtergerechter Sprache als Grundlage für staatliches Handeln verlangt werden. Der magische Satz lautet: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“. Mit ihm ist die – wie vorher ausgeführt – herkömmliche Ansicht zu Art. 3 Abs. 2 überholt, von der allein aufgrund des Gesetzes erfolgten unmittelbaren Ungleichbehandlung und als lediglich entstehungsgeschichtlich bedingte Wiederholung von Absatz 3, ohne eigenständigen Regelungsgehalt. 

Dies gibt nun Anlass die mittelbare Diskriminierung zu konkretisieren. Gemeint sind damit Nachteile, die sich bei gleicher abstrakter Formulierung des Gesetzestextes mit dem maskulinen Genus in der Rechtsfolge im Tatsächlichen für Frauen und Männer unterschiedlich einstellen und eben keine unmittelbare Ungleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 2 sind. Daraus folgt, dass geschlechtsneutral formulierte Gesetze, die sich also der Wörter „Mann und „Frau enthalten, auch wenn sie völlig unterschiedliche Folgen im täglichen Leben für die Geschlechter auslösen, von dem grundgesetzlichen Differenzierungsverbot nicht erfasst waren. Bei dieser Auffassung lässt sich mit Hilfe von Formulierungskünsten ein Verstoß gegen Artikel 3 vermeiden, und trotzdem kann sich Ungleichbehandlung de facto bei der Umsetzung des Gesetzes einstellen. Angefangen hat diese hohe Kunst bei den Tarifverträgen in der Holzindustrie in den 50er Jahren, die zur Einführung der sog. „Leichtlohngruppen“ führten, die fast ausschließlich aus Frauen bestanden, bis zu neueren Formulierungen mithilfe des generischen Maskulinums bei der geschlechtsunsymmetrischen Berechnung der Betriebsrente und der Sozialzulage.

Um dies zu ändern und auch gesetzestechnisch die mittelbare Diskriminierung zu erfassen, gibt es viele Beispiele einer deutlichen Änderung in der Rechtssprache, die von Bauer ausführlich und erschöpfend behandelt wurden. 

Vorschläge für künftige Änderungen in der Rechtssprache

Mein Vorschlag für eine differenzierte und kreative Sprachgestaltung, abgeleitet aus dem verfassungsrechtlich geltenden Verhältnismäßigkeitsprinzip bei Güterabwägung der einander gegenüberstehenden Belange und Rechte, wie dem angeführten Gleichstellungsgebot und dem Dominierungsverbot, lautet:

  1. Unmittelbarer Handlungsbedarf für Paarbildungen an entscheidenden und exponierten Stellen, die ein Defizit an Gleichstellung aufweisen.
  2. Aus Gründen der praktischen Vernunft ist auf das Umschreiben großer alter Kodifizierungen zu verzichten. Kleinere Änderungen sind bei Novellierungen vorzunehmen.
  3. Bei nicht stark ausgeprägten personalem Bezug eines Gesetzes mit wenig Gleichbehandlungsbedarf genügt es, zur Einhaltung des Dominierungsverbotes eine allgemeine neutralisierte Formulierung anlässlich von Novellierungen einzufügen.
  4. Ansonsten eine kreative Textgestaltung, die so weit wie möglich das generische Maskulinum vermeidet.

Vorrangige Änderung von Texten mit direktem Personenbezug

Es wird sich daraus ableiten lassen, dass im Hinblick auf Rechtssprache deutlich zu differenzieren ist und zwar nach den unterschiedlichen Inhalten und der Qualität des Rechtstextes. So wird in Texten, die das persönliche und soziale Leben der Menschen ordnen und regulieren – also bei Texten mit direktem Personenbezug – wohl ein höherer Aufmerksamkeitsgrad zu fordern sein, als z.B. im Patentgesetz, im Markengesetz oder Designrecht, im Gesellschaftsrecht, Aktienrecht oder Kartellgesetz. Im Fall des „Anmelders einer Marke“ im Markengesetz oder des „Klägers“ im Kartellrecht fehlt es an jeglicher Ungleichgewichtigkeit in der Präsenz der Frauen, da es sich hierbei zumeist sogar rechtlich eingeordnet um den Gebrauch des grammatikalischen Femininums handelt: Diese Texte beziehen sich auf Unternehmen als juristische Personen, wie „die Aktiengesellschaft“, „die GmbH“, „die Firma“, „die Sparkasse“, „das Unternehmen“. Denn die Vorstellung der „Person des Anmelders“ einer Marke, eines Patents oder eines Designs, oder die juristische Person einer Aktiengesellschaft, einer GmbH oder eines Kartells, ist in keiner Weise mit realen Personen und der stereotypen Vorstellung einer Bindung an das männliche Geschlecht und sich daraus ergebenden Vor- oder Nachteilen verknüpft. Die Möglichkeit hier eine Korrelation zu Art. 3 Abs. 2 herzustellen, liegt nicht auf der Hand. Deshalb kann es m. E. in diesen Rechtsmaterien bei der Abfassung entsprechender Texte auch bei der Verwendung des generischen Maskulinums bleiben.

Plädoyer für differenzierten Sprachgebrauch
Aber beim Titel “Der Präsident des XXX-Amtes“ oder „-Gerichts“ oder „Richter des Bundesverfassungsgerichts“ ist dieser entsprechend um das Femininum zu ergänzen, weil hier Änderungsbedarf in der gesellschaftlichen Stellung der Frauen insgesamt festzustellen ist. Dies ist natürlich flankiert von den Quotenregelungen für den öffentlichen Dienst, wodurch sich die Präsenz der Frauen in zahlenmäßiger Hinsicht in den oberen Etagen gesteigert hat. Es ist allerdings eine Illusion zu glauben, dass sich damit die Gesellschaft ändere in den Strukturen des Umgangs der Menschen miteinander. Die Forderung, den weiteren Einsatz des Maskulinums als Genusbegriff zu unterlassen, ist hier nicht allein aus dem Dominierungsverbot des Grundgesetzes abzuleiten. Rechtsgrund für die gezielte Verwendung des Femininums gibt auch das Verständnis des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG als Gleichberechtigungsgebot, nämlich als die Pflicht des Staates, auf tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter hinzuwirken. Anstelle des Genusbegriffs in den Gesetzen, die von der Gleichstellung der Frau nicht betroffen sind, kann das generische Maskulinum durch neutrale Ausdrücke und Formulierungen ersetzt werden. In den Normen jedoch, die die defizitäre gesellschaftliche Stellung der Frau widerspiegeln oder fortzusetzen geeignet sind, muss das Femininum in der Paarbezeichnung Verwendung finden. Damit ist eine Differenzierung der sprachlichen Umsetzung von Legaltexten vorgegeben.

Es wäre zu leicht und im Übrigen sprachlicher Unsinn, wenn man glaubt, einen vorliegenden Text lediglich jeweils bei Personenbezeichnungen um die Silbe „-in“ verbunden mit einem Schrägstrich, einem Glottisschlag, Sternchen oder einer Klammer ergänzen zu müssen. Derartige Texte sind kaum lesbar und demzufolge auch nicht leicht zu verstehen. Es bedarf vielmehr der „kreativen Textgestaltung“ (s. Grabrucker 1993, Kapitel 6 & 7) vor dem Hintergrund der aufgezeigten verfassungsrechtlichen Relevanz. Im Übrigen verweise ich auf die Richtlinie zum geschlechtergerechten Sprachgebrauch beim Europäischen Parlament (veröffentlicht 2009, aktualisiert 2018), sowie weitere gesetzliche Grundlagen, die Annelie Bauer vom Lehrstuhl Öffentliches Recht der Leibniz Universität Hannover zusammengetragen hat, und zahlreiche von den verschiedensten Institutionen herausgegebenen Sprachanleitungen.

Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass in Rechtstexten, also in Kommentaren oder Aufsätzen – außer z.B. im Familienrecht, Arbeitsrecht, Sozialrecht etc. – kein Handlungsbedarf besteht zum Gendern, soweit diese keine dominierungsvermeidenden Inhalte haben und gleichstellungsirrelevant sind, wie z.B. für den „Kläger“ zum „Fristablauf für Schriftsätze in einem gerichtlichen Verfahren“.

Verwendete Literatur

Marianne Grabrucker. 1993. Vater Staat hat keine Muttersprache. Fischer: Frankfurt am Main.

Annelie Bauer. 2020. Rechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache. Duncker & Humblot: Berlin.

Bericht der Arbeitsgruppe Rechtssprache vom 17. Januar 1990. Maskuline und feminine Personenbezeichnungen in der Rechtssprache. In: Bundestagsdrucksache 12/1041. Bonn 1991. dserver.bundestag.de/btd/12/010/1201041.pdf#page=5 (letzter Abruf 13.07.2021)

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Stand 29.09.2020):
www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html (letzter Abruf 13.07.2021)

Leitlinien zum geschlechtergerechten Sprachgebrauch beim Europäischen Parlament 2009:
www.europarl.europa.eu/RegData/publications/2009/0001/P6_PUB(2009)0001_DE.pdf (letzter Abruf 13.07.2021)

Leitlinien zum geschlechtergerechten Sprachgebrauch beim Europäischen Parlament 2018:
www.europarl.europa.eu/cmsdata/187092/GNL_Guidelines_DE-original.pdf (letzter Abruf 13.07.2021)


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